Es war im Sommer 1996, als wir aus beruflichen Gründen eine neue Bleibe in oder um Treuchtlingen suchten. Nach zwei Jahren vergeblicher Suche auf den Dörfern und in der Stadt nach einem Sanierungsobjekt entschlossen wir uns zum Kauf eines Grundstücks in Dietfurt, das gerade am Markt war. Der Grund lag hinter einem alten Bauernhof, der nicht mehr in Betrieb und nur noch von der alten Bäuerin bewohnt war.
Auf diesem Stück Land wollten wir ein Holzhaus errichten. Schnell waren die Pläne fertig. Aber es kam anders. Kurz vor der Einreichung des Bauantrags kam Frau Heinrichmeyer auf den Gedanken, ihren Hof zu verkaufen, da ihre Kinder und Enkel kein Inteteresse an dem alten Hof hatten. Das war die Gelegenheit - allerdings ging es uns zunächst nicht um das Bauernhaus, denn dort wollte die alte Dame weiter wohnen, sondern um die Scheune.
Flugs umgeplant, Doppelhauspläne zerissen und neue Pläne geschmiedet. Statt Doppelhaus also die Scheune zum Einfamilienhaus umbauen, die kleine Schreinerei für die Mutter zum Austragshaus gleich noch mit ausbauen. Zehn Monate später war die Schreinerei bewohnbar, noch mal zehn Monate später die Scheune. Das musste natürlich erst mal (finanziell) verkraftet werden.
2004 zog die Altbäuerin in das benachbarte Altenheim um. Das alte Bauernhaus war somit nicht mehr genutzt. Schon vorher hatten wir mehrfach darüber gesprochen, dass ein Abriss des alten Hauses nicht in Frage käme. Das Werk von Jahrhunderten einfach zu vernichten, schien uns zu schade. Also langsam an eine wirtschaftlich und kräftemäßig tragbare Sanierung denken. Das Haus wäre gut als Ferienhaus nutzbar, da der Altmühltal Panoramaweg und der Altmühltal Radwanderweg direkt am Haus vorbeiführen.
Zwei Jahre zogen ins Land. Das Dach wurde nicht besser. Der Dachstuhl war an mehreren Stellen marode. Das eindringende Regenwasser beschädigte an mehreren Stellen bereits die Substanz.
2005 wollten wir vom Landesamt für Denkmalschutz wissen, ob das Jurahaus unter Denkmalschutz steht oder denkmalwürdig sei. Nein, sagte man zunächst in München mit Schreiben vom 10.8.2005.
Später und nach mehrmaligem Nachhaken änderte man die Meinung, da die Bauart des Hauses und der Grundriss den ältesten Jurahäusern in den Treuchtlinger Ortsteilen sehr ähnlich ist, nämlich dem Meierhof in Wettelsheim und Schambach Nr. 1, die beide aus dem 16. Jahrhundert stammen. Außerdem steht es an einer exponierten Stelle im Dorf und fast schon beherrschend im ehemaligen Ortsteil Schnecken direkt neben der alten Fernstraße.
Jetzt ist der Schnecken-Hof also in der Denkmalliste eingetragen, als typisches Kleinbauern- und Handwerkerhaus des frühen 18. Jahrhunderts und mit städtebaulich herausragender Bedeutung wegen seiner Lage als Abschluss des ehemaligen Ortsteils Schnecken direkt an der alten Reichsstraße.
Am 27. Mai 2006 starteten wir unser Jurahaus-Projekt mit dem Abdecken des alten Steindachs. Da wir ohne Zuschüsse des Landesamtes auskommen mussten, war leider nicht daran zu denken, das Kalkplattendach zu sanieren. Wir wollten das Dach abräumen und dann beurteilen, ob und was vom alten Dachstuhl erhalten werden kann.
Die "Dachlatten", Staketten aus gespaltenem Eichenholz, waren in einem erstaunlich guten Zustand. Kaum eine war morsch. Die Staketten waren mit Holznägeln auf den Sparren befestigt. Der Dachstuhl erwies sich allerdings als ziemlich marode, vor allem im Firstbereich. Sämtliche Rofen hätten einzeln saniert werden müssen. Dieser Aufwand war für uns nicht zu stemmen. Die Mittelpfetten konnten wir zum Teil erhalten.
Uns interessierte schon lange, wie es unter den Brettern der Schlafkammer aussieht, die in den 40er Jahren erneuert worden waren. Das Interesse wurde mit tollen Funden belohnt... Auf den ersten Blick kam ein wildes Sammelsurium von allerlei Stroh- und Zeitungsresten zum Vorschein, gemischt mit Lehm. Generell waren die Fehlböden mit Lehm gefüllt gewesen, der an manchen Stellen noch fest, an anderen aber locker und mit Staub vermischt war. Ein mords Dreck jedenfalls. Ganz offensichtlich gab es im alten Bretterboden, der im Obergeschoss nur in einem Raum im Original erhalten war (leider völlig morsch), große Schwundschlitze, durch die alles mögliche rutschen konnte. Die Mäuse fühlten sich offenbar recht wohl in diesem Versteck.
Zum Glück fiel unser Blick schnell auf Substanzielles. Der erste Fund war ein gravierter Knopf. Das motivierte zum Weitersuchen. Der nächste Fund - möglicherweise der hochkarätigste: eine fein geschnitzt Haar- oder Spindelnadel (?). Es folgten jede Menge alte Nägel, Knöpfe, Mausskelette, ein Ring - und zwei Münzen.
Letzteres ist deshalb wichtig, weil dies schon eine gewisse Datierung zulässt. Die erste Münze war ein Albus aus dem Jahr 1694. Das bedeutet, dass das Haus etwa um diese Zeit wohl schon gestanden haben dürfte. Ein Knecht oder eine Magd wird sich wohl fürchterlich geärgert haben, als ihm oder ihr die Münze - wegen des hohen Silberanteils auch Weißpfennig genannt - in eine Ritze des Bodens gefallen war. Der Albus, der im Hessischen geprägt worden war, hatte seinerzeit den Wert von 12 Pfennigen oder 2 Schilling. Für Gesinde kein unerheblicher Wert. Denn z.B. im Jahr 1640 erhielt eine Magd 2 bis 6 Gulden Lohn im Jahr (Quelle: Chronik Nassau), was 60 bis 180 Albus entsprach. Für einen Albus musste die Magd also 2 bis 6 Tage lang arbeiten.
Die andere Münze datiert auf das Jahr 1769. Der Typ konnte noch nicht bestimmt werden.
Die Neugierde ließ uns keine Ruhe. Wir schickten Abschnitte der alten Balken an das Jahrringlabor Hofmann. Insgesamt schnitten wir Scheiben von fünf Balken aus dem Obergeschoß und sandten sie per Paket ans Labor. Es war ein Stück der Firstpfette aus Fichtenholz, ein ehemaliger Eichen-Fachwerkbalken des Südgiebels, der hinter dem Giebel als Taubenschlagauflage verwendet wurde, zwei Sparren und ein schmales Stück der Bohlen-Balken-Decke.
Das Ergebnis war eindeutig. Der Eichenbalken stammt aus dem Jahr 1707, sämtliche Fichtenbalken datieren in den Winter 1708/09. Damit war zumindest das Baujahr des Obergeschoßes klar, nämlich 1708 oder 09.
Die Sanierung zog sich schließlich über fünf Jahre hin. Nach dem Dach ging es im Erdgeschoß an das Ausräumen der Böden. Ringsum zogen die Mauern Feuchtigkeit. Alte Jura-Bodenplatten, die unter Spanplatten auftauchten, wurden ausgebaut und gesäubert. Fundamentiert war das Haus praktisch nicht. Nur an den Ecken gab es größere Grundsteine. Wir unterfingen die komplette Außenwand innen und außen mit einer Betonschale, setzten ein Drainage davor.
Nach dem Entfernen neuzeitlicher Holzverschalungen kam jede Menge altes Weidengeflecht-Fachwerk, zwei Bohlen-Balken-Decken und große Flächen altes Pflaster zum Vorschein. Und bei den Bodenarbeiten auch alte Jura-Platten...
Wir entschieden uns, das Haus qualitativ hochwertig aufzurüsten und die historische Substanz einzubinden. Wir hoben den kompletten Boden aus, setzten eine dicke Schotterpackung, dann Isolierung, dann eine Bodenplatte, wieder Isolierung, darauf eine Fußbodenheizung. Besonders viel Bastelarbeit war die Neuverlegung der alten Marmorplatten im Flurbereich. Jede hatte eine andere Stärke.
Viel Staub wirbelte das Abschleifen der Decken und Fachwerkbalken auf. Im Schlafzimmer, das über dem Gewölbekeller liegt, war noch der original Dielenbelag erhalten. Leider war er nicht zu halten. Beim Ausbau erwies er sich als völlig verfault. Schade drum. Im neuen Bad, das im Bereich der Austragsstube installiert wurde, entschieden wir uns für neue Marmorböden und -wände aus Solnhofen. Eine ungewöhnlich Kombination.
Von den beiden alten Türgewänden, die ebenfalls im Erdgeschoss auftauchten, allerdings in Richtung Boden verfault waren, ließen wir nochmals ein Dendro erstellen. Dieses bestätigte das bisher ermittelte Alter.
Von der Hausgeschichte wissen wir mittlerweile auch viel. Siehe hier.
Ebenfalls etwa um 1830 ist das Haus umfassend saniert worden. Damals wurde der Fachwerkgiebel durch einen Steingiebel ersetzt. Auf den alten Fotos ist auch die damals erneuerte Biedermeier-Haustür zu erkennen.
Die ganze Arbeit, die wir in fünf Jahren in den Hof investierten, lässt sich in einem solch kurzen Abriss natürlich nicht darstellen. Mit dem Ergebnis sind wir jedenfalls zufrieden.
Für den Schnecken-Hof und dessen Geschichte sprechen die Kirchenbücher. Beim Durchstöbern der letzten Hinterlassenschaften der Vorbesitzer stießen wir überraschend auf die Aufzeichnungen des ehemaligen Dietfurter Pfarrers Setsmann, der über das Anwesen ausführlich in den Kirchenbüchern Dietfurts recherchiert hatte. Neben Kopien der Originaleinträge waren teilweise auch Übersetzungen lateinischer Einträge zu finden. Die Geschichte des Schnecken-Hofs lässt sich nunmehr fast lückenlos belegen.
Nachdem die dendrochronologische Untersuchung als Baujahr des Hauses das Jahr 1709 nahelegte, kann der Baubeginn jetzt auf das Jahr 1708 datiert werden. Am 3.7.1708 ist die Heirat eines Michael Heinrichmeier für das Anwesen in den Kirchenbüchern belegt. Dieser war Webergeselle und von Pappenheim nach Dietfurt übergesiedelt, um hier eine Existenz und Familie zu gründen. Vermutlich war er allerdings nicht Eigentümer des Anwesens.
Aus der Geschichte heraus passt das in die Zeit des Wiederaufbaus nach einer Zerstörung des Dorfes im spanischen Erbfolgekrieg im Jahr 1704. Da die Bäume des Fachwerks und des Dachstuhls zwischen 1707 und dem Winter 1708/09 gefällt wurden, passt alles zusammen.
Nach der Erstnennung in den Traumatrikeln gibt es eine kleine Lücke in der Dokumentation. Entweder wurden die Kirchenbücher nicht sauber geführt oder waren verschollen. Am 12. Januar 1762 folgt der nächste Eintrag für das Anwesen, als Johann Georg Heinrichmeyer, belegt als Schuhmachermeister, Walburga Storchmeyer heiratete. Damit ist der Hof nun als Handwerkeranwesen bestätigt – was angesichts der Fenstereinteilung im Erdgeschoss bereits bei der Sanierung vermutet worden war. Auch die im Haus gefundenen alten Schuhleisten, der Dreifuß, Schusterzangen und die riesige Schere passen nun ins Bild.
Es war eine Dynastie von Schuhmachern, die auf dem Hof arbeitete. Es folgte Heinrichmeyers Sohn Johann Georg, ebenfalls Schuhmachermeister, der 1794 Anna Maria Meyer ehelichte. Ihm folgte Georg Thomas Heinrichmeier, der am 28.3.1830 Anna Dorothea Zollnhofer heiratete. Vermutlich von ihm stammt auch der Hausname "Schusters Gegg". Mit seinem Tod 1868 endete die Tradition der Schuhmacher. Das geht einher mit der allgemeinen gesellschaftlichen Entwicklung. Ab 1850 verschwand das Schuhmacher-Handwerk in vielen Orten, da ab dieser Zeit Schuhe mittels Nähmaschine bereits als Massenprodukt hergestellt wurden. Vielen Schuhmachern wurde damit die Geschäftsgrundlage entzogen, da die industrielle Produktion von Konfektionsschuhen ihn als Produzenten von neuen Schuhen überflüssig machte. Immer mehr Leute versorgten sich in Schuhgeschäften.
Der Sohn von Georg Thomas Heinrichmeier, Johann Georg, wird in den Büchern nur als Söldner geführt. Ob und welches Handwerk er ausübte, ist unklar. Damit ist allerdings nun auch die Hofgröße als Sölde (auch Köblergut genannt) belegt. Die Flächen des Hofes reichten kaum, um davon allein leben zu können. Die Besitzer mussten sich ihr Auskommen durch ein zusätzliches Handwerk oder andere Arbeiten sichern.
Johann Georg Christoph Heinrichmeier, der am 9.11.1902 Eva Maria Brosel heiratete, wird in den Büchern als Ökonom (Landwirt) geführt. Im Dorf weiß man aber, dass er auch als Schreiner tätig war. Sein Sohn Karl Ludwig, gelernter Steinmetz und Schreinermeister, heiratete nach dem frühen Tod seiner ersten Gattin Renate Maria 1948 ein zweites Mal, nämlich Maria Müller. Sie lebte als letzte der fast 300-jährigen Landwirts-Dynastie Heinrichmeyer bis 2004 auf dem Hof.
Die Schreibweise des Namens Heinrichmeier änderte sich im Lauf der Jahre vom mittelneuhochdeutschen Heinrichmeӱer über Heinrichmeier bis Heinrichmeyer.
Zuletzt hatte der Hof rund zwei Tagwerk Ackerland direkt am Hof, vier Tagwerk in den Riedwiesen und rund zwei Tagwerk Wald. Neben dem Wohnhaus hatte der letzte Bauer und Handwerker Karl Heinrichmeyer nach dem Zweiten Weltkrieg ein Schreinereigebäude auf dem Hof errichtet. In der Stall-Scheune fand sich Platz für bis zu zehn Kühe.
Der Schnecken-Hof ist ein ehemaliges Köblergut (auch Sölde genannt), das seit dem Mittelalter – möglicherweise noch länger - nahe der alten Fernstraße direkt an der Altmühlfurt steht. Das historische, denkmalgeschützte Jurahaus wurde in seiner jetzigen Form im Jahr 1708 errichtet. Nach sechsjähriger Renovierungszeit entstanden in dem ehemaligen Wohnstallhaus zwei urige und dabei komfortable Ferienwohnungen mit flexibler Nutzungsmöglichkeit und einer möglichen Belegung mit zwei bis acht Personen.
Die Gäste erwartet nicht nur der Hauch der Geschichte in den stilvoll eingerichteten Wohnungen; ein Grillplatz, ein Unterstellplatz für Fahrräder, ein hauseigenes Kanu und Vieles mehr laden zu aktiver Freizeitgestaltung in einer einmaligen Landschaft ein.
Das Dorf Dietfurt liegt direkt am Eingang des Almühldurchbruchs durch die Fränkische Alb. Von hier aus bieten sich ausgiebige Radtouren in die Umgebung an. Ein weites, gut ausgebautes Radwegenetz und interessante Wanderwege durch die dünnbesiedelte Natur des Frankenjura und Altmühltals laden zu echten Naturerlebnissen ein. Direkt am Schnecken-Hof vorbei führt der Altmühltal-Panoramaweg nach Kehlheim. 50 Meter weiter eröffnen sich über den gut ausgebauten Altmühltal-Radwanderweg die landschaftlichen Höhepunkte des größten deutschen Naturparks. Eine Bootsanlegestelle 150 Meter vom Hof entfernt ist der ideale Ausgangspunkt für Kanuausflüge auf der Altmühl.
Die Gegend bietet vielfältige Freizeitmöglichkeiten und kulturelle Höhepunkte. Die Altmühltherme mit ihrem Heilwasser liegt nur zwei Kilometer vom Schnecken-Hof entfernt. In Treuchtlingen finden sich neben einem ökologischen Kurpark ein Volkskundemuseum, ein historisches Schloss, eine Burgruine und Vieles mehr. Das bekannte Städtchen Pappenheim – nur fünf Kilometer entfernt – bietet mittelalterlichen Flair. Die alte Reichsstadt Weißenburg – nur zehn Kilometer entfernt - ist ein hochkarätiges mittelalterliches Ensemble und außerdem ein Highlight für alle an der römischen Vergangenheit Interessierten. Man kann dort neben einem Römerschatz im Museum auch eine ausgegrabene große Thermenanlage aus der Zeit um 100 n.Chr. bewundern.
Der Schnecken-Hof ist ein typisches Wohnstallhaus in Jurabauweise. Er wurde 1708 errichtet und diente seinen Besitzern zur bescheidenen Viehzucht, dem Ackerbau und dem Handwerk. Nach einigen Jahren des Leerstandes wurde er von 2006 bis 2011 grundlegend saniert und zum Ferienhaus umfunktioniert. Die historische Bausubstanz des denkmalgeschützten Hauses wurde weitgehend erhalten und gibt dem Haus heute sein besonderes Ambiente.